Johannes Spickenheuer

In der heutigen Zeit (2018) ist es kaum vorstellbar, dass jemand in ein öffentliches Amt gewählt wird und dass er dieses Amt dann 50 Jahre lang bekleidet. Dies trifft jedoch zu für den früheren Grefrather Bürgermeister Johannes Spickenheuer. Andererseits kann man sich unschwer vorstellen, dass er während seiner langen Amtszeit Dinge in die Wege geleitet hat, die das Leben in unserer Gemeinde auch heute noch beeinflussen. Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich, dass sein Großvater mit großem Respekt und mit erhobenem Zeigefinger sagte: „Ja, das war noch unter Spickenheuer.“ Aber auch vieles von dem, was Spickenheur in Angriff genommen hat, ist inzwischen nicht mehr vorhanden.

Johannes Spickenheuer wurde m 21. August 1820 in Frechen bei Köln geboren. In seiner Autobiographie bezeichnet er seine Eltern als Ladenbesitzer. Er besuchte zunächst die Elementarschule in Frechen. Dort erhielt er auch privat höheren Schulunterricht. Später war er bei einem Notar in Köln beschäftigt, vor seiner Anstellung in Grefrath bei dem Notar Lenders in Rheinberg. Die Wahl in Grefrath erfolgte am 12. Februar fast einstimmig auf zunächst 12 Jahre. Drei Monate vor Ablauf der zwölfjährigen Amtszeit wurde er auf Vorschlag des Landrates Foerster aus Kempen aufgrund von § 103 der Gemeindeordnung von der Königlichen Regierung auf Lebenszeit zum Bürgermeister ernannt.
Amtssitz des Bürgermeisters war das im Jahr 1783 errichtete Rathaus am Markt. Es diente unten als Wohnung für einen Polizeidiener mit Familie. Oben befanden sich 2 primitive Amtsräumlichkeiten mir niedrigen Decken, die nach seiner Aussage nicht mehr zeitgemäß waren Er drängte damals schon auf einen Erweiterungsbau, den ihm der Rat wegen fehlender Mittel zunächst verweigerte (wie heute). Infolgedessen kam es erst 1885 zu einem Erweiterungsbau.
Er begann seine Tätigkeit – wie er in seiner Autobiographie schreibt- „in einer durch den alten Bürgermeister Hoenen mehr oder weniger verwahrlosten Gemeinde“. Seine Arbeit wurde nach seinen Aussagen zunächst durch das erschwert, was man auch heute am Niederrhein noch als „Klüngel“ bezeichnet.

Als er sein Amt antrat, hatte die Gemeinde nicht ganz unerhebliche (Kriegs-) Schulden. Dennoch zögerte er nicht, schon bald Kapital für den Neubau einer fünfklassigen Schule mit Lehrerwohnung anzusammeln. Die Fertigstellung erfolgte im Jahr 1858. Da sich die Räumlichkeiten als unzulänglich erwiesen, wurde im selben Jahr ein zweites Schulgebäude errichtet. Auch an der Volksschule Vinkrath wurden wegen der gestiegenen Schülerzahl 2 neue Klassenräume geschaffen.
Während seiner Dienstzeit wurden u.a. auch zahlreiche innerörtliche Straßen neu gebaut bzw. vorhandene ausgebaut: In seiner Autobiographie nennt er u.a. die Hinsbecker Chaussée, den Hübecker Weg, die Buschstraße (heute Vinkrather Straße) und den Mörtelweg (so). Für die Durchführung der Arbeiten wurde die Mithilfe der Bürger der Gemeinde in Anspruch genommen. Das Baumaterial stammte zum Teil aus Kies- oder Sandgruben auf dem Gebiet der Gemeinde, die er für diesen Zweck angekauft hatte. Die Pferdebesitzer mußten mit ihrem Gespann und die anderen Dienstpflichtigen mit Schüppe und Hacke und einer arbeitsfähigen Mannsperson zur Verfügung stehen. Für die Finanzierung nahm er auch Mittel aus Staats- oder Provinzialfonds in Anspruch. Aber auch überörtliche Straßen, z.B. die Provinzialstraße von Süchteln über Grefrath und Wankum wurden zu seiner Zeit gebaut.
Auch an dem Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Kempen und Venlo war er ma&geblich beteiligt. Diese wurde im Jahr 1867 fertiggestellt. Er hebt in seiner Autobiographie besonders hervor, dass durch seine Mithilfe auch private Mittel zur Finanzierung des Anteils der Gemeinde beschafft werden konnten. Die ebenfalls geplante Bahnverbindung von Viersen nach Straelen wurde nur bis Grefrath realisiert, weil das Unternehmen in Konkurs geriet.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es auch in Grefrath zu tiefgreifenden Veränderungen der sozialen Strukturen: die ehemaligen Heimweber waren zu Fabrikarbeitern und damit zu abhängig Beschäftigten geworden. Durch wirtschaftliche Krisen wurden sie arbeitslos.

Der von Napoleon I 1812/1814 projektierte Nordkanal zur Verbindung des Rheins mit der Maas, welcher auf dem Gebiet der Gemeinde bis zur Flussbetttiefe gediehen war, gelangte 1874 auch in Grefrath zur Versteigerung, nachdem alle Bemühungen zur Vollendung erfolglos geblieben waren. Die beabsichtigte Veräußerung blieb auch auf der Strecke zwischen Gilles Pfad und dem Hinsbecker Weg erfolglos.
Als nun die Krise in der Textilindustrie bei den Fabrikarbeitern für die Gemeinde spürbar wurde, stellte er mit Zustimmung der Gemeindevertretung „höheren Orts“ den Antrag, die unveräußerliche Strecke durch die arbeitslosen Weber einebnen zu lassen, um sie auf diese Weise zu beschäftigen (heute: ABM – Maßnahme). Das Ministerium erklärte sich jedoch außer Stande, die finanziellen Mittel für dieses Projekt zur Verfügung zu stellen. Nachdem dieser Antrag abgelehnt worden war, beantragte er, jene Fläche der Gemeinde zu einem angemessenen Kaufpreis zu überlassen. Daran war allerdings die Bedingung geknüpft, das Gelände später in kleinere Parzellen aufzuteilen und an „geringe Leute“ zu verpachten.
Gegen Ende des 19. Jahrhundert machte sich in Grefrath das Fehlen eines Krankenhaues bemerkbar. Nach jahrelangen Bemühungen und nach der Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten gelang es ihm schließlich, gemeinsam mit dem damaligen Pfarrer Kessels den Bau eines Krankenhaues zu realisieren. Neben dem Krankenhaus fehlte aber auch eine Apotheke. Daher beantragte Spickenheuer die Zulassung einer Apotheke, wenn auch zunächst nur einer Filiale von Kempen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Erst nach einem Wechsel des Dezernenten gelang es im Jahr 1883, eine Filiale von Kempen in Grefrath einzurichten.
Im Jahr 1885 wurde nach längeren Beratungen eine Gemeindesparkasse ins Leben gerufen und das von ihm aufgestellte Statut beschlossen. Auf seine Anregung hin und auf Betreiben seiner beiden Söhne kam in den Jahren 1883/84 eine organisierte Feuerwehr zustande. Bis dahin hatte man einige bereitwillige Handwerker als ausreichend für diese Aufgabe erachtet. Die Aufgabe fand in der Gemeinde allgemein Anklang. Das von ihm aufgestellte Statut fand die Zustimmung der Behörde.
In der Autobiographie, die die Grundlage für die vorliegende Zusammenfassung war, sind verständlicherweise noch zahlreiche Ereignisse aus der Amtszeit von Johannes Spickenheuer aufgeführt, deren Erwähnung an dieser Stelle zu weit führen würde. Daher sollen abschließend aber noch die zahlreichen Orden im Wortlaut erwähnt werden, die er während seiner Tätigkeit in Grefrath erhalten hat, weil deren Aufzählung u.a. einen Eindruck vermittelt von der Denkweise der Menschen, die vor nunmehr 120 Jahren gelebt haben.

  1. Die Kriegsdenkmünze von 1870/71 für Nichtkomcombattanten für extraord. Leistungen im Feldzug gegen Frankeich.
  2. Der Adlerorden 4. Klasse für besondere Verdienste in der Verwaltung für Staat und Gemeinde, laut Besitzzeugnis der Generalordenscommission Berlin vom 23. März 1890 bei der Feier des Krönungs- und Ordensfestes
  3. Der Königl. Kronenorden 3. Klasse für 50jährige treue Dienste als Bürgermeister für Staat und Gemeinde, laut Beglaubigungsurkunde Seiner Majestät, Berlin vom 1. April vom 1.April 1901
  4. Die Erinnerungsmedaille aus erbeuteter Bronze französischer Kanonen 1870/71 zum Andenken an den 100jährigen Geburtstag Seiner Majestät Kaiser Wilh. I
  5. Ein Kreuz aus abgeschossenen Pariser Kugeln im glorreichen Krieg gegen Frankreich W. Paris 1871 (Granaten der Pariser Fortes) lt. Besitzzeugnis Berlin vom 3. August 1871, Zeughausverwaltung
  6. Die Bronzemedaille für landwirtschaftliche Leistungen vom landwirtschaftlichen Provincialverein für Rhein –Preußen
  7. Die große silberne Medaille, ebenso für mehrjährige hervorragende Leistungen in der Landwirtschaft, bei dem Jubelfeste am 1. Sept. 1883 nebst Diplom
  8. Ein Diplom des Landwirtschaftlichen Vereins für anerkannte Leistungen für Rheinpreußen , Bonn, vom 16. September 1874 für anerkannte Leistungen in der Leitung als Vorsitzender des landwirtschaftlichen Cassinos hierselbst. Noch verschiedene Diplome durch meine Bemühungen vom besagten Provincial Verein für das Cassinno hier erwirkt, befinden sich im Cassinolocale hierselbst.